Über das Glück

Es ist eine seltsame wie auch bemerkenswerte Tatsache, dass der Mensch meist bestimmter sagen kann, was er nicht will, als was er will. Angesichts der Wahlmöglichkeiten, die in unserer Gesellschaft extistieren, ist das auch zu entschuldigen. Allerdings ist es in meinem Leben schon zu extremen Situationen gekommen, die im Nachhinein dazu geführt haben, dass ich in bestimmten Bereichen beides genau weiß: Was ich will und was unter allen Umständen zu vermeiden ist. Ersteres hat sich in mir manifestiert, zweiteres gelingt mir leider nicht immer – oft bin ich auch nur eine Spielfigur und nicht die Person am Zug. Ich spreche hier nicht so sehr von beruflichen Zielen, obwohl hier sicherlich auch ein konstanter Prozess des Klarwerdens passiert. Dieser Eintrag über das Glück und was es für mich bedeutet, bezieht sich eher auf Beziehungen: Die zu mir und die zu anderen.

Das Glück ist ambivalente Angelegenheit. Es funktioniert nicht ohne das Gegenteil. Zumindest nicht nach meiner Erfahrung. Wer nicht versteht, wie es sich anfühlt, unglücklich zu sein, der versteht auch nicht, was glücklich sein bedeutet. Beides sind Zustände, die meiner Meinung nach, aktiv herbeiführt werden können – in den meisten Fällen. Wenn ich an Zeiten denke, in denen ich unglücklich war, muss ich ehrlicherweise zugeben, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe. Entweder, weil ich nicht reagiert habe oder weil ich absichtlich das Falsche getan habe, um jemand weh zu tun. Die Seiten, die ich dabei an mir kennengelernt habe, waren mir nicht neu, aber so klar habe ich sie davor nie gesehen. Ich finde das auch nicht verwerflich, jeder kann eine Bitch sein. Allerdings gibt es Menschen, die einem aus welchen Gründen auch immer nicht gut gesinnt sind. Früher hat mich das total geschockt, wenn ich feststellen musste, dass mir etwas angetan wurde, obwohl es nichts mit mir zu tun hatte – einfach nur, weil es Teil der Persönlichkeit des anderen ist. Ich muss sagen, dass ich für solche Menschen keinen Platz mehr in meinem privaten Leben habe. Über die Jahre ist meine Toleranz für das Arschlochsein der anderen so aufgebraucht worden, dass meine Bereitschaft, immer neue Chancen zu geben, rapide abgenommen hat. Das ist hart. Aber wenn alle Wege einmal beschritten sind, dann ist es egal welchen Status die Person hat. Dann muss ich mich entscheiden, ob ich das Land verlasse oder aufhöre, mich zu beschweren.

Soweit meine Beobachtungen – zurück zum Glück. Zum Glücklichsein gehört die Fähigkeit, nachzudenken und zwar über einen selbst in Bezug auf andere und nicht umgekehrt. Wer dazu fähig ist und halbwegs ehrlich, der erkennt schnell, wie der eigene Hase läuft. So weit, so einfach.

Ich bin ein Mensch, der traurig sein kann. Ich kann mir sehr Leid tun. Aber der Moment kommt, an dem ich das Bett verlasse und mir sage: „Und jetzt ist es genug!“ Und das ist es dann auch meistens. Ich höre auf, traurig zu sein. Wenn meine Gedanken versuchen, mich in den Vergnügungspark des Grauens zu ziehen, schreie ich Nein und haue imaginäre Türen zu. Das braucht oft ein paar Anläufe – aber irgendwann habe ich den Weg zurück vergessen und die Leichtigkeit zieht wieder ein. Wer das Verdrängung nennt, der irrt. Denn die Situation und was sie bedeutet, vergesse ich keineswegs. Sie läuft unterbewusst weiter und verändert mich. Allerdings nicht mehr vor dem Hintergrund der Trauer sondern vor dem des Glücks.

Ich dachte immer, dass es vielleicht an mir liegt, dass ich so ein Stehaufmädchen bin. Aber dem ist nicht so – überhaupt nicht. Eine sehr gute Freundin ist vom Typ her nicht so optimistisch wie ich – aber sie hat einfach keinen Bock, immer nur rumzuheulen. Und das kann sie gut. Bis ins kleinste Detail. Aber es kommt der Moment, da hört sie einfach damit auf. Weil das meistens auch geht. Es ist nur nicht so praktisch und einfach, wie faul dazubleiben, wo man ist. Ihre Lieblingsgeschichte zu diesem Thema ist folgende: Vor ihrem Abitur war sie ziemlich deprimiert und einfach nicht fähig zu lernen. Sie hat mir am Telefon stundenlang erzählt, wie schlimm alles ist und was sie so alles in ihr Tagebuch geschrieben hat. Irgendwann ist mir der Kragen geplatzt und ich habe sie angeblafft: „Hör auf, in dein Tagebuch zu schreiben und ruf mich erst wieder an, wenn du was in dein Matheheft geschrieben hast.“ Wir waren erstmal beide etwas konsterniert, aber danach ist es gelaufen.

Natürlich ist mir klar, dass manche Menschen psychisch krank sind und einfach nicht können. Aber Begriffe wie depressiv, depremiert und ausgebrannt werden mittlerweile so inflationär gebraucht, dass sie ihre Bedeutung verloren haben. Das ist vor allem für die tragisch, die sich nicht so leicht selbst befreien können. Für den Rest gilt aber folgendes: Ich lebe in einem Land, das einem fast jeden Weg ermöglicht, in dem Frauen trotz einiger Einschränkungen unbeschränkt leben können, in dem die Gedanken frei sind. Das Leben ist nunmal so designt, dass schwierige Situationen und Menschen an jeder Ecke auf einen warten. Da das so ist, lasse ich zumindest in meinem direkten Umfeld soviel Liebe sprießen, dass ich meinen Garten Eden immer in der Nähe habe. Der Moment, an dem ich aufgebe, ist noch lange nicht gekommen.

Für Tante Marianne

Glück1

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